Prozesstag 4 – 20.5.2020

Am 20.05.2020 begann um 9:36 Uhr der vierte Verhandlungstermin.

Anwesend waren an diesem Tag: Vorsitzender Richter Dr. Hermann, Beisitzende Richter Maletz und Frenz, Staatsanwalt, Protokollantin, 2 Schöffen, 2 Justizbeamte, Ramadan, Verteidigerinnen Busmann und Heinecke, Dolmetscherin, 8 Zuschauer*innen sowie eine Person von der Presse.

Vor Prozessbeginn fragt eine der beobachtenden Personen, ob die Mikrofone angestellt werden könnten, da die sprechenden Personen im Saal teils nur schwer zu verstehen seien. Der Richter reagierte genervt auf die Frage und sagte nur, dass er sie ja gut verstehen könne und „Akustik keine Einbahnstraße“ sei. Daraufhin blieben die Mikrofone teilweise ausgeschaltet und der Richter ging unverzüglich zur Tagesordnung weiter. Eine beobachtende Person verlässt empört den Saal.

Zunächst wird eine Erklärung der Verteidigung nach § 57 Abs. 2 vorgelesen.
Die Anwältinnen nehmen Bezug auf den vorherigen Prozesstag, in dem die Zeugin R. ausgesagt hat. Die Anwältinnen zitieren die Aussagen der Zeugin, die sagt sie fühle sich schuldig, dass es so eskaliert sei. Sie beschreiben den Schock der Zeugin beim Ansehen des Videos und ihre Aussage dazu: „So wie das aussieht, ja ich habe Angst. Ich habe Angst vor mir, wenn ich mich so sehe“.

Nach der Erklärung der Anwältinnen wird die Zeugin B. vernommen. Sie gibt an, nur noch wenige Bilder vor Augen zu haben.
Sie hatte die Auseinandersetzung zunächst aus ihrem Auto heraus beobachtet und von einem Parkplatz die Polizei gerufen. Sie gibt an sich daran zu erinnern, dass „Steine geflogen“ seien. Sie hätte nicht erkennen können wer mit wem „gerangelt“ hat und auch nicht wer angefangen habe.

Nachdem ihr einige Fotos gezeigt werden, sagt sie aus, einige Personen zu erkennen.
Der Richter verliest ihre Aussage, die sie nach der Beobachtung bei der Polizei gemacht hat. Sie erinnert sich daran, dass einer der beteiligten sudanesischen Männer beschwichtigend eingewirkt hätte und „Könnt ihr mal damit aufhören, was soll denn das?“ gesagt habe.

Als nächstes wird die Zeugin K. vernommen, die am morgen der Auseinandersetzung in einem anliegenden Geschäft arbeitete. Sie hatte mehrmals die Polizei gerufen. Die Zeugin gibt ihre Erinnerungen wieder, kann jedoch in der Befragung durch Richter, Staatsanwalt und Verteidigung keine genauen Angaben zu den beteiligten Personen, Handlungen oder Bewegungen mehr machen.

Eine weitere geladene Zeugin ist nicht anwesend, da kurzfristig verzogen. Sie wird zum 11. oder 23.6. erneut vorgeladen.

– Pause bis 11.00 Uhr –

Der Ton des Richters ändert sich bei der Befragung des Zeugen und in der Situation beteiligten M. deutlich. Er wurde wesentlich strenger, ungeduldiger und stellte sehr genaue und spezifische Nachfragen. Dies war bei den vorherigen Zeuginnen nicht in einer solchen Offensichtlichkeit der Fall. Seine Körperhaltung verändert sich.

Der Zeuge M. beschreibt seine Erinnerungen an den Abend, an dem er mit Ramadan und seinen Freunden unterwegs war. Sie hatten in der Stadt getrunken und waren auf dem Weg nach Hause. Eine Frau auf der anderen Straßenseite habe sie grundlos angefangen zu beleidigen, es seien rassistische Beleidigungen gewesen. Zwei seiner Freunde seien auf die andere Seite der Straße gewechselt, um mit der Frau zu reden, schon seien zwei Männer hinzu gekommen und hätten angefangen sie zu schlagen. Ramadan und er seien schlichtend in die Prügelei eingeschritten.

In der Befragung fragt der Richter, ob er sich an einen Fahrradständer erinnern würde. M. gibt an, dass einer seiner Freunde während der Schlägerei über einen Fahrradständer gefallen sei. Er erinnere sich daran, weil er auf der Polizeiwache das Video gesehen habe. Er berichtet von seinen Verletzungen, es sei eine blutende Schnittwunde an der Hand gewesen. Ob diese durch ein Messer oder eine Flasche entstanden sei, weiß er nicht. M. berichtet, dass er noch während der Schlägerei beschimpft wurde, auch noch als die Polizei bereits eingetroffen war.

Auf Nachfrage der Gutachterin zu Ramadans Persönlichkeit gibt M. an, dass Ramadan an dem Abend gut gelaunt gewesen sei. Es sei ein schöner Abend gewesen, alles sei ganz normal verlaufen. Er sagt über Ramadan, dass dieser es liebte zur Schule [Anm.: Deutschunterricht] zu gehen. Er hätte an dem Abend erzählt, dass es in seinem Familiennachzugsverfahren Fortschritte gegeben habe und sei darüber sehr glücklich gewesen. Über Ramadan sagt er, er habe noch nie ein Problem gemacht, er habe nicht einmal laut gesprochen. Er sagt, dass er sehr überrascht war, als er das Video gesehen habe.

Der Verhandlungtermin endet um 12.00 Uhr.

Am 11. Juni wird mit dem fünften Verhandlungstag der Prozess fortgeführt.