Am 17.03.2020 begann um 9:40 Uhr der zweite Prozesstag gegen Ramadan. Für die erste inhaltliche Verhandlung waren die Zeugin R. und der Zeuge M. geladen. Beide waren nicht anwesend. Der Zeuge M. wird derzeit per Haftbefehl gesucht und ist nicht auffindbar. Zudem erschienen weder der Nebenkläger P. noch die zwei Sachverständigen Saimeh und Anders.
Unterstützer*innen konnten an diesem Tag ohne Einlasskontrollen den Prozess verfolgen, sodass eine schriftliche Prozessbeobachtung möglich war. Was der Grund für den plötzlichen Wandel des Gerichts in Sachen Sicherheitsvorkehrungen ist, ist nicht offiziell bekannt gegeben worden.
Um 9:30 wurde unser Freund Ramadan in Handschellen von zwei Justizvollzugsbeamten in den Gerichtssaal geführt. Anwesend waren zu dem Zeitpunkt die Protokollantin, der Staatsanwalt, die beiden Justizvollzugsbeamten, Ramadan, seine Anwältin und ein Dolmetscher, zwei Pressevertreterinnen, sowie 11 Zuhörer*innen und Unterstützer*innen. Der Zeuge, die Zeugin, der Nebenkläger und dessen Anwalt waren nicht anwesend. Als Ramadan seine Freunde im Zuschauerbereich sah, winkte er kurz herüber.
Um 9:40 Uhr betraten die zwei Richter und die Richterin sowie die zwei Schöffen den Saal.
Auf Bitte der Anwältin wurden Ramadan die Handschellen abgenommen. Der Richter eröffnete die „abgespeckte Verhandlung“. Zwei der Zeugen seien „abhanden gekommen“. Der Richter führte weiter aus, dass Ramadan zum Zeitpunkt der Tat keine Eintragungen im Strafregister hatte. Daraufhin verlas er die ärztliche Begutachtung vom 29.07.2018. Laut dieser war Ramadan zum Tatzeitpunkt zwar alkoholisiert, zeigte aber keinerlei Auffälligkeiten oder aggressives Verhalten.
Die Anwältin fragte, wie nun die Verhandlung weitergehen könne, da der Zeuge und der Nebenkläger nicht auffindbar seien. Zusätzlich bestünden wegen der Corona Pandemie besondere, noch nicht vorhersehbare Umstände. Sie wies darauf hin, dass Ramadan nach der Urteilssprechung im ersten Verfahren aus der JVA Lüneburg in die Psychiatrie Lüneburg verlegt wurde. Nachdem der BGH der von Ramadans Anwältinnen eingelegten Revision stattgegeben hatte, wurde er zurück in U-Haft genommen. Somit befindet sich Ramadan seit rund einem Jahr und acht Monaten in Freiheitsentzug. Es gäbe, so die Anwältin weiter, keine fundierten Gründe ihn in dieser Situation zu belassen, da es die Möglichkeit einer ambulanten Traumatherapie, eine Wohnmöglichkeit und ein Betreuungsnetz für Ramadan gibt. Das Gericht solle eine beschleunigte Haftentlassung prüfen.
Der Staatsanwalt äußerte Zweifel, ob das Betreuungsnetz und die Wohnmöglichkeit ausreichen, eine Flucht zu verhindern. Durch die Aufhebung des alten Urteils sei das Verfahren bei Stand Null. Ein zu erwartendes Strafmaß sei auch nach Anrechnung der bisherigen Haft sehr hoch. Zudem fehle das neue psychologisches Gutachten.
Die Anwältin widersprach mit Verweis auf die vorhandenen Wohnungs- und Therapiemöglichkeiten und betonte, dass das Gericht zusätzlich die Möglichkeit hätte, Ramadan unter Auflagen zu entlassen. Außerdem wies sie darauf hin, dass nicht in erster Linie die Corona-Pandemie das Verfahren behindere, sondern die Unmöglichkeit einer inhaltlichen Verhandlung aufgrund der fehlenden Zeugenaussagen.
Der Richter betonte die Besonderheit der Situation, nämlich ein möglicher Shut Down der Gerichte wegen des Corona-Virus und außerdem die Unklarheit darüber, ob die Zeugen überhaupt gefunden werden können. Die Kammer würde die Forderung auf Entlassung Ramadans abwägen und eine zeitnahe Entscheidung treffen.
Die Hauptverhandlung wird bis auf weiteres auf den 30.03 um 9.30 Uhr im Landgericht Lüneburg vertagt.