Prozesstag #3

22.02.2019

Tag 3

Anwesende Personen: Vorsitzender Richter, Beisitzender Richter 1 und 2, 2 Schöffen, Protokollantin, Staatsanwalt, Anwältinnen von Ramadan, Übersetzerin, Ramadan, Rechtsmediziner, ein Polizist und JVA-Angestellte.

Zeuge P. (Nebenkläger) war nicht anwesend. Sein Anwalt war ebenfalls nicht erschienen.

Es wurden erneut keine Zettel und Stifte für Zuhörer*innen im Gerichtssaal zugelassen. Des Weiteren waren bei Beginn der Verhandlung nicht alle Zuschauer*innen im Saal. Dies ist den strengen Kontrollen vor dem Gerichtssaal zuzuschreiben. Für die Zuschauer*innen war es sehr schwer dem Prozessgeschehen zu folgen, da die Mikrofone teilweise sehr leise eingestellt waren. Als sowohl Pressevertretter*innen und Zuschauer*innen den vorsitzenden Richter darauf hinwiesen, erklärte er, dass Zwischenrufe zu unterlassen seien.

Der dritte Verhandlungstag begann mit einer Stellungnahme der Verteidigung zu den Zeugenaussagen des voran gegangen Verhandlungstages. Darin legten die Anwältinnen von Ramadan dar, dass die Aussagen der Zeugin R. als auch des Zeugen M. nicht glaubhaft seien, da der Inhalt ihrer Aussagen erheblich vom Inhalt des Videos abweicht. Es sei der Anschein entstanden, dass die Zeugin R. den Zeugen M. nicht belasten wolle. Während der Verhandlung spielte ein Justizbeamter, der hinter Ramadan saß, immer wieder mit seinem Handy und benahm sich somit der Situation unangemessen.

Nach der Stellungnahme wurde mit der Zeug*innenbefragung begonnen. Als erstes wurde Polizeibeamter R. vernommen. Dieser kam zu der Auseinandersetzung erst hinzu, als diese schon beendet war. Er und ein Kollege von ihm bekamen den Auftrag nach Ramadan zu suchen. Auffällig war dabei, dass der Polizist durchgehend von Opfern und Tätern sprach, obwohl erst in diesem Verfahren geklärt werden soll, ob Ramadan wirklich schuldig ist. Nach Aufforderung der Verteidigung sein Aussageverhalten zu ändern, schaffte es der Polizist dann auch hin und wieder von Tatverdächtigen zu sprechen. Dies ist ein Beispiel dafür wie tief Rollenzuschreibungen in der Polizei verankert sind. R. konnte Ramadan an der Ecke Meisterweg anhand der Personenbeschreibung erkennen. Ramadan verhielt er sich kooperativ und leistete keinen Widerstand. Insgesamt wirkte der Zeuge R. sehr gut vorbereitet und konnte sehr viele Details nennen. Dies lässt den Schluss zu, dass er sich vor der Vernehmung mindestens seine Berichte durchgelesen hat.

Die nächste geladene Zeugin war die Verkäuferin der Bäckerei, vor der die Auseinandersetzung stattfand. Sie kam gegen halb sieben zur Bäckerei. Die Aussage der Zeugin war sehr ambivalent, da sie zuerst behauptete eine Schubsbewegung gesehen zu haben durch welche M. vom Fahrrad geschubst wurde. Auf Nachfrage der Verteidigung wurde jedoch klar, dass sie keine Schubsbewegung gesehen hatte, sondern nur sah, wie M. vom Fahrrad zu Boden fiel. Ebenso sagte die Zeugin aus, dass sie gehört habe, wie sich R. mit zwei Personen stritt. Nach erneuter Nachfrage der Verteidigung kam heraus, dass sie zu dem Zeitpunkt Kopfhörer getragen hat und dementsprechend nichts hören konnte. Sie konnte keine Aussagen über den Beginn der Auseinandersetzung treffen. Auf die Frage des vorsitzenden Richters, ob es eine körperliche Auseinandersetzung gegeben habe antwortete sie, dass sie dies nicht gesehen habe, aber in der Situation beschützt werden wollte. Warum sie auf diese Schlussfolgerung kam, wurde nicht weiter erläutert. Ob diese auf einem subjektivem Befinden oder der Reproduktion von rassistischen Stereotypen basierte, kann somit nicht geklärt werden. Insgesamt konnte die Zeugin keine Tathandlungen irgendeiner Person eindeutig zuordnen. Sie hat nur gesehen, wie ein Stein in die Scheibe der Bäckerei geflogen ist.

Nach der Vernehmung der zweiten Zeugin wurde die Verhandlung für 15 Minuten unterbrochen, um der Dolmetscherin von Ramadan eine Pause zu geben. Während dieser Pause wurde Ramadan in Handschellen aus dem Raum geführt. Als nächstes wurde dann die Zeugin B. vernommen.

Am Tattag fuhr diese mit dem Auto über die Bleckeder Landstraße zur Arbeit. Sie sah die Auseinandersetzung und rief daraufhin die Polizei an. Sie beobachtete die Auseinandersetzung daraufhin aus einiger Entfernung. Sie sagte zuerst aus, dass Ramadan, der später zur Auseinandersetzung hinzu kam, irgendetwas auf „ausländisch“ gesagt hätte. Die Verteidigung hielt ihr daraufhin das Protokoll ihrer Vernehmung der Polizei vor, in welchem sie aussagte, dass Ramadan auf Deutsch gesagt habe „Hört auf mit dem Scheiß“. Des Weiteren sagte sie aus, dass eine anders als Ramadan gekleidete Person einen Stein in die Scheibe der Bäckerei geworfen habe. Auch gab sie an, dass aus den umliegenden Häusern Menschen die Auseinandersetzung gefilmt und „gegackert“ haben.

Die letzte Zeugin des Tages war die Polizeibeamtin M.. Sie setzte zwei Freunde von Ramadan fest und belehrte diese. Die Kommunikation mit diesen war schwierig, aufgrund weniger Deutschkenntnisse. Die beiden Freunde waren ruhig und kooperativ. Für eine Person wurde ein Krankenwagen gerufen, da diese eine Verletzung am Finger hatte. Nach der Belehrung und Festsetzung der beiden Freunde von Ramadan, wurde sie ins Krankenhaus beordert, um die Personalien von P. und M. mit den am Tatort genannten Personalien abzugleichen. Aus Nachfrage der Verteidigung gab sie an, dass P. keinen Personalausweis dabei hatte und sie seine Daten nur mit dem Melderegister abgeglichen hätte. Erst auf der Wache überprüfte sie in einer anderen Datenbank, ob gegen P. noch etwas anderes vorlag. Gegen ihn bestand zu diesem Zeitpunkt ein Haftbefehl. Sie rief daraufhin im Krankenhaus an. P. hatte sich zu diesem Zeitpunkt jedoch schon selbst entlassen.

Zum Ende der Sitzung wurde noch der Rechtsmediziner Dr. A. vom Uni-Klinikum Hamburg angehört. Dieser gab eine Einschätzung zu den Verletzungen der Deutschen ab. Dazu wurden zuerst noch einmal Fotos und Videos aus der Akte gezeigt. Das Fazit war, dass die Verletzungen nicht so schlimm waren, was Zufall war. M. hatte ein Schädelhirntrauma der Kategorie 1, der leichtesten Kategorie. Dies sei, laut seiner Aussage, gleichzusetzen mit einer Gehirnerschütterung.

Um 12:00 Uhr wurde die Sitzung vertagt.

Der nächste Prozesstag ist am 4.3.2019 um 9:30 Uhr im Landgericht Lüneburg, Saal 21.

 

Und weiterhin gilt:

Um die Kosten für die Verteidigung im anstehenden Prozess, sowie weitere Ausgaben zu decken, werden in nächster Zeit mehrere Tausend Euro benötigt. Dafür sind wir auf euren Soli-Beitrag angewiesen. Lasst uns gemeinsam Ramadan und andere von Rassismus Betroffene in ihrem Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit unterstützen.

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