Solidarität mit Ramadan! Neuer Prozess beginnt nächste Woche

Neuer Prozess gegen Ramadan beginnt nächste Woche

Liebe Freund*innen,

nachdem unser Freund Ramadan im ersten Verfahren am 6.3.2019 wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen wurde, ihm zusätzlich jedoch eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik ohne Bewährung nach §63 StGB sowie die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden, haben seine Anwältinnen Busmann und Heinecke gemeinsam mit Ramadan Einspruch gegen dieses Urteil eingelegt.
Alle Informationen zum Prozessverlauf 2019 und den Hintergrund findet ihr hier: solidaritaetmitramadan.blackblogs.org

Der Einspruch war erfolgreich und das Urteil wurde im November letzten Jahres aufgehoben. Ramadan konnte somit endlich aus der Psychiatrischen Klinik Lüneburg (PKL) entlassen werden, in die er aufgrund des vorherigen Urteils eingewiesen worden war. Dort musste er 9 Monate ohne Behandlung auf der geschlossenen Station verbringen, diese Zeit war eine Qual für ihn.

Bei der Haftprüfung entschieden die Richter*innen jedoch wieder gegen ihn (und auch gegen den Rat des im ersten Verfahren bestellten psychologischen Gutachters) und wiesen ihn zurück in die Lüneburger JVA ein, obwohl er ein stabiles soziales Umfeld und eine Wohnung vorweisen konnte und nicht davon auszugehen war, dass Ramadan abtauchen würde. Bis heute sitzt Ramadan deswegen in der Justizvollzugsanstalt.

Nun stehen die Termine für die neue Verhandlung fest. Die Anklageverlesung markiert den Auftakt im Prozess und findet schon nächste Woche Donnerstag, am 05.03.2020 um 09:30 Uhr im Landgericht Lüneburg statt.

Die ehemalige Soligruppe aus Lüneburg ist geschwächt und aktuell ist noch nicht klar, ob eine Prozessbeobachtung gemacht und der Blog weiter gepflegt werden können.
Wir möchten deswegen alle Leute aufrufen, sich zu engagieren, sich solidarisch zu zeigen, die Termine vorzumerken und mit auf die Straße und in den Gerichtssaal zu kommen – um Ramadan zu zeigen, dass er nicht alleine ist.

In Tagen wie diesen ist es wieder einmal und besonders wichtig, Solidarität mit von Rassismus betroffenen Menschen zu zeigen. Warum dieser Fall kein normaler Strafprozess ist, sondern eine rassistische Dimension hat, die kaum Beachtung findet – und was wir aus der Prozessbegleitung gelernt haben, weiter unten.

Gemeinsam gegen Rassismus – in Lüneburg und überall!

Die Termine für die Gerichtsverhandlungen sind:
Anklageverlesung am 05.03.2020, dann 17.3.2020, 30.3.2020, 31.3.2020, 20.4.2020, 23.4.2020 – jeweils um 09:30 Uhr.

Ein neuer Prozess bedeutet auch neue Kosten. Wir möchten uns zuerst noch einmal bedanken, bei allen Personen die den letzten Prozess finanziell und durch persönliche Anwesenheit unterstützt haben. Die Kosten für die Anwältinnen konnten gedeckt werden. Wir alle, und Ramadan, sind dankbar und glücklich über so viel Unterstützung.
Leider gilt jetzt nach wie vor: es werden mehrere Tausend Euro benötigt, um die Kosten für die Verteidigung im anstehenden Prozess sowie weitere Ausgaben zu decken. Dafür sind wir auf euren Soli-Beitrag angewiesen.

Lasst uns gemeinsam Ramadan und andere von Rassismus Betroffene in ihrem Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit unterstützen.

Spendenkonto
Betreff: Solidarität mit Ramadan
Kontoinhaberin: Solidarität
IBAN: DE90 2406 0300 0125 3816 00
BIC: GENODEF1NBU
Volksbank Lüneburger Heide eG

 

Zur rassistischen Dimension – Und was wir aus dem letzten Prozess gelernt haben (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Was wir aus dem letzten Prozess gelernt haben ist, dass rassistische Handlungen, die direkt mit der verhandelten Situation zu tun haben, vom Gericht als nicht relevant angesehen werden und keine Beachtung finden.
Was wir deutlich festgestellt haben ist, dass nicht Personen, die Täter und Auslöser von Rassismus sind durch die deutsche Justiz als gefährlich eingestuft werden, sondern solche Personen, die sich gegen den erfahrenen Rassismus zur Wehr setzen.
Was wir aus dem letzten Prozess gelernt haben ist, dass aufgrund einer „gefühlten“ Einschätzung der anwesenden Polizist*innen entschieden wird, wer in einer Situation „Täter“ und wer „Opfer“ ist.
Ist, dass durch einige Medien und v.a. in den sozialen Medien Tathergänge erdacht werden, um rassistische Stereotype zu bedienen.
Ist, dass versucht wird, Rassismus und Sexismus gegeneinander auszuspielen.
Ist, dass Richter*innen sich teils herablassend gegenüber migrantischen Personen zeigen.
Ist, dass latenter oder offener Rassismus vor den Gerichtssälen keinen Halt macht.
Ist, dass Komponenten wie Traumata und PTBS durch politische Verfolgung und Folter nicht mit-gedacht und nicht ernst genommen werden.
Ist, dass das Gericht in erster Instanz Ramadan nicht schuldunfähig sprechen und ihn „einfach gehen lassen“ wollte, sondern gegen den eigenen Gutachter entschieden hat, um eine vermeintliche „Erziehungsaufgabe“ zu übernehmen.
Ist, dass dem Gericht gesellschaftlich wichtiger erscheint, eine traumatisierte und potenziell re-traumatisierte Person weg zu sperren, als für die notwendige Unterstützung zu sorgen, damit es nicht mehr zu solchen Situationen kommen kann.
Ist, dass eine traumatisierte Person neun Monate lang unter skandalösen Bedingungen, gegen ihren Willen und ohne Therapiemöglichkeit untergebracht wurde.
Ist, dass zwischen „Einheimischen“ und „Zugewanderten“ getrennt – und versucht wird diese „Gruppen“ gegeneinander auszuspielen.
Ist, dass Wegsperren Repression ist.
Ist, dass es wichtig ist, dass Leute genau hinsehen – immer und überall.
– to be continued